Auswirkungen des Coronavirus auf das Arbeitsverhältnis – Teil 6: Vergütung bei Betriebsschließung

Sind Sie von einer Betriebsschließung im Zusammenhang mit COVID19 betroffen? Wer trägt das Betriebsrisiko im Zusammenhang mit der Pandemie?

Wird der Betrieb – z.B. auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG – geschlossen, weil in Bezug auf den gesamten Betrieb oder Gruppen von Arbeitnehmern ein Infektionsrisiko besteht (Stadtverwaltungen, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Arztpraxen usw.), kann man die Grundsätze der vom RG im Jahre 1923 angewandten Betriebsrisikolehre anwenden.

Betriebsrisikofälle kennen wir bei der Unterbrechung der Energieversorgung, der Einwirkung von Naturereignissen, dem Ausbleiben von Rohstoffen oder dem Auftreten von Maschinenschäden und der daraus folgenden Einstellung oder Einschränkung des Betriebes. Ein Verschulden des Arbeitgebers liegt nicht vor.

Nach der Rechtsprechung trägt der Arbeitgeber dann das Betriebsrisiko infolge behördlicher Maßnahmen – also der Betriebsschließung – wenn dieses Risiko der behördlichen Maßnahme im Betrieb durch dessen besondere Art angelegt gewesen war. Es kommt also auf die Eigenart des Betriebes an.

  • Bei der Staatstrauer nach Hindenburgs Tod im Jahre 1934 behielten die Musiker einer Tanzkapelle ihren Entgeltanspruch. Dem Tanzlokal wohnte das Risiko solcher Schließungen wegen Staatstrauer inne. Der Arbeitgeber musste es tragen und Lohn zahlen.
  • Das BAG hat ähnliches 1963 anlässlich einer Landestrauer in Nürnberg entschieden.
  • Auch das Flugverbot aufgrund einer Aschewolke oder wegen eines auf einem einzelnen Betrieb bezogenen Verbots wegen Smogalarms ist vom Arbeitgeber zu tragen.
  • Wird ein Bankbetrieb aufgrund aufsichtsrechtlicher Maßnahmen der BaFin vorübergehend eingestellt, muss der Arbeitgeber den Lohn weiterzahlen

Nicht zum Betriebsrisiko gehören allgemeine Gefahrenlagen wie Kriege, Unruhen und Terroranschläge. Manche zählen dazu auch Epidemien (so Krause in HWK, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Auflage 2018, § 615 BGB, Rn. 116).

Überträgt man die Grundsätze auf die Corona-Fallgestaltungen, liegt beispielsweise bei Hochschulen, bei denen notwendigerweise ein breiter Personenkontakt besteht, bei Kindertagesstätten, Schulen, allgemein zugänglichen öffentlichen Verwaltungen, bei Veranstaltungsunternehmen, bei Messen, bei Kaufhäusern usw. ohne weiteres die besondere Eigenart vor, dass Kontakt zu Menschen mit infektiösen Erkrankungen besteht. Ebenso ist es die Eigenart dieser Betriebe, dass eigene Mitarbeiter mit Menschen in Kontakt kommen, sich infizieren oder der Verdacht einer Infektion besteht und daher Betriebsschließungen ausgesprochen werden können. Das spricht aus meiner Sicht dafür, dass hier die Eigenart dieser Betriebe als das Betriebsrisiko des Arbeitgebers anzusehen ist, so dass der Arbeitgeber den Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer weitertragen muss. Das Betriebsrisiko in der Pandemie trägt danach der Arbeitgeber.

Diese Grundsätze dürften auch in Krankenhäusern, Arztpraxen usw. gelten.

Das gibt die klare Indikation, dass in jedem Fall die Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSG von Seiten der Arbeitgeber bzw. der Arbeitnehmer geltend zu machen sind, um den Versuch der Risikobegrenzung zu unternehmen. Diesbezügliche Anträge sollten gestellt werden.

 

Musch und Delank | Ein Beitrag von Dr. Sven Olaf Jacobsen